Feedback geben – eine Kulturtechnik

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Daher ist Kommunikation eine der Grundfesten unserer Zivilisation. Ein Teilaspekt, der unseren Kindern heute nur noch unzureichend beigebracht wird, ist die Fähigkeit gutes Feedback zu geben. Die Chancen stehen gut, dass auch du eins dieser Kinder bist.

Storytime

Wir schreiben das Jahr 7413 v. Chr. die ganze Familie kommt von einer Großjagd zurück. Einer von ihnen, nennen wir ihn Bernd, hat die Anführerin, die er als Vorbild anhimmelt, die ganze Jagd über beobachtet. Ihm sind zwei Dinge aufgefallen, die sie verbessern könnte. Also geht er hin und sagt: "Ich habe dich bei der Jagd gesehen. Du machst das falsch, du musst das anders machen."

- Zeitsprung - Bei einer archäologischen Grabung kommt ein Schädel zum Vorschein. Die Schädeldecke wurde mit einem stumpfen Gegenstand eingedrückt. Auf den Lippen noch der Inhalt des eigentlichen Feedbacks (wie das geht, dass die metaphorischen Lippen konserviert sind, musst du Archäologen oder Philosophen fragen). Bernd hat es versäumt, den Rahmen für sein Feedback zu setzen oder wenigstens um Erlaubnis zu fragen.

Im folgenden findest du daher eine Schritt-für-Schritt-Anleitung:

Inhaltsübersicht

  • Warum überhaupt Feedback?
  • Konsens einholen
  • Feedback
  • ... sortieren
  • ... dosieren(!)
  • ... einrahmen

Warum eigentlich Feedback?

Es gibt im Wesentlichen drei Gründe, Feedback zu geben.
Wenn du ein positives Verhalten verstärken möchtest, kannst du Feedback in Form einer positiven Kritik (oder als Kompliment) geben.
Wenn du ein negatives Verhalten reduzieren möchtest, wird dein Feedback eine negative Kritik sein.
Wenn du aufrichtig daran interessiert bist, dass dein gegenüber besser wird bzw. wachsen kann.

Feedback nur mit Konsens

Bernd hat keinen Konsens eingeholt. Bernd ist jetzt ein archäologisches Fundstück. Sei nicht wie Bernd. Aber Spaß beiseite, Konsens bei guter Feedback-Kultur ist sehr wichtig. Denn Feedback bedeutet auch immer, dass es an die Persönlichkeit der Person gehen kann, die das Feedback bekommt. Deshalb darf Feedback nie ungefragt kommen. Denn selbst wenn es positiv verstärkendes Feedback ist, wird es im schlimmsten Falle nicht mal ankommen, weil die Person nicht bereit ist, es anzunehmen.

Schritt 1: Frage um Erlaubnis
Es ist so simpel und einfach wie: "Mir sind Dinge aufgefallen an der Art wie du jagst. Möchtest du, dass ich sie mit dir teile?" oder "Ich habe eine Idee, wie du deine Jagd vielleicht verbessern kannst. Willst du sie wissen?"

Exkurs: Oft wird man aktiv gefragt, ob man Feedback geben kann. "Wie hat dir der Vortrag gefallen?", "Gibt es etwas, dass ich besser machen kann?", "Kannst du meinen Text lesen und Feedback geben / deine Meinung dazu sagen?" Das beinhaltet implizit eine Erlaubnis ist aber häufig ein Rezept für Desaster. Denn die Person möchte eventuell wissen, ob der rote Faden im Text / Vortrag erkennbar ist und dein Feedback besteht aus einer vierseitigen Auflistung von Rechtschreibfehlern und Anmerkungen zur Bildpositionierung oder Dauer der Folien, etc.

Daher Schritt 1,5: Frage nach dem Umfang (Inhalt)
Falls das im Gespräch in Schritt 1 schon passiert ist, perfekt, überspringe den Absatz. In allen anderen Fällen hilft dir auch hier nachfragen:
"Zu welchen Themen möchtest du Feedback haben?", "Soll ich auf den Inhalt / die Ästhetik / die Typographie / die Dauer / etc. achten bzw. eingehen?"
Bonus: Wenn du nach Feedback fragst, sag es direkt dazu: "Kannst du Feedback zu meinem Text XY geben und besonders auf Kommasetzung und zu lange Sätze achten?"

Schritt 2: Frage nach dem Umfang (Menge)
"Möchtest du alles was mir auffällt sofort wissen?", "Soll ich nur die in meiner Wahrnehmung schwerwiegendsten Punkte direkt vorstellen und dir den Rest als Liste geben?", "Für wie viel Feedback hast du gerade Kapazität / Energie?"
ACHTUNG: Viele Menschen überschätzen sich hier selbst und geben dir eine Mengenangabe. Die darfst du gut und gerne, sofern ein Aufteilen möglich ist, um 20-50% reduzieren als deine interne Richtschnur.

Feedback generieren

Hier schaust du dir an, wozu du Feedback geben sollst / darfst. Das kann ein Text sein, den du liest; oder ein Video, das du anschaust; oder ein Vortrag.

Achte auf die vereinbarten Themen (Schritt 1,5) und auf alles, was dich positiv überrascht oder begeistert oder ungewöhnlich ist und so angenehm aus der Masse heraussticht.

Feedback Sortieren, Dosieren und Einrahmen

Leider gibt es keine Blaupause für Feedback, das immer funktioniert, deshalb hier ein paar Ideen zur Sortierung.

Wenn du keinen Anhaltspunkt hast, deine negative Kritik anders zu sortieren, dann schreib sie in der Reihenfolge auf, in der sie entstanden ist. Falls möglich sortiere sie aber nach Gewichtung. Das Wichtigste zuerst, danach zunehmend weniger wichtige Sachen. Darüberhinaus bietet es sich besonders bei Vorträgen an die wirklich wichtigen Punkte nach Gewicht zu sortieren und die "Liste an Nebensächlichkeiten" chronologisch. Diesen Wechsel bekommt dann auch die Person, die das Feedback empfängt, mit und das nimmt Stress aus der Situation, weil intuitiv klar wird, dass es jetzt um Kleinigkeiten geht AUCH wenn es nochmal viele Punkte sind.

Schritt 3: Sortiere negative Kritik nach Wichtigkeit bis zu einer individuellen Schwelle
Schritt 3,5: Sortiere den Rest chronologisch als Liste von Kleinigkeiten

Schritt 4: Beginne dein finales Feedback mit einer positiven Kritik, die dich emotional berührt hat.
Es darf auch skurril und persönlich sein: "Ich konnte die Aussage von Abbildung XY so gut nachfühlen, weil es einen richtigen Einblick in die Lebenswelt von Bodenplatten-Reparatur-Igeln gibt. Ich habe zum ersten Mal verstanden, warum die abends vorm Haus herumschleichen." oder "Deine Stärke ist es die ganzen komplizierten Abbildungen so zu erklären, dass die für mich Sinn ergeben haben. Es fasziniert mich, wie du das schaffst."

Schritt 5: Füge schrittweise negative Kritik hinzu. Gib der Person genug Zeit es zu verstehen / aufzuschreiben.
Im besten Fall kann die Person intuitiv Feedback gut entgegennehmen oder hat den zukünftigen Post zum Feedback-Empfangen auf diesem Blog gelesen und antwortet mit "danke" oder mit inhaltlichen Gegenfragen, falls etwas unverständlich ist. Im letzteren Fall achte bitte darauf nur die Frage zu beantworten und keine neue Kritik von deiner Liste einfließen zu lassen.

Schritt 6: Wiederhole 5, aber wenn du merkst, dass es zu viel wird, stoppe oder wirf einen positiven Kritikpunkt ein.
Wie oben erwähnt überschätzen viele Menschen ihre Kapazität Feedback zu erhalten und es liegt ein bisschen an der Person, die Feedback gibt, da empathisch drauf zu achten.

Schritt 7: Ende auf jeden Fall mit etwas Positivem
Denn mit dem Letztgesagten wirst du in Erinnerung bleiben und eventuell möchtest du ja selbst mal Feedback bekommen oder du willst die Person zumindest besser zurücklassen, als du sie vorgefunden hast.

Persönlich achte ich beim Aufschreiben des Feedbacks schon darauf (das braucht etwas Übung) es in drei Spalten aufzuschreiben:

  1. Hat mir sehr gut gefallen / mich positiv überrascht / mich emotional abgeholt.
  2. Fand ich furchtbar (interne Bewertung, die nicht so kommuniziert wird).
  3. Geht besser, ist aber auch kein Beinbruch wenn es so bleibt.

Aus diesen drei Spalten ist dann die Sortierung im Schritt 3-5 einfacher.

Zu guter Letzt kannst du, wenn du Feedback haben möchtest, die Leute vorher ähnlich wie diese Liste hier instruieren. Denn es ist völlig egal, ob man die Rahmentaktik "durchschaut" es funktioniert trotzdem. Das Ziel ist ja vor allen Dingen, dass alle Seiten erfahren, dass Feedback nichts schlimmes, sondern etwas positives ist.

Zusammenfassung

Gutes Feedback hat:

  • Konsens
  • einen vereinbarten Umfang
  • eine gute Sortierung
  • einen guten Rahmen

Wenn du dich an diesen Prozess hältst, wirst du schnell merken, dass Feedback geben in gut eingespielten Gruppen unfassbar Spaß machen kann und gleichzeitig bringt es allen Beteiligten etwas.
Für Fragen oder Feedback darfst du mich gerne unter info@ oder auf Twitter öffentlich oder per DM kontaktieren.

Die Schritte – TL;DR

  1. Frage um Erlaubnis
  2. Frage nach dem Umfang (Inhalt)
  3. Frage nach dem Umfang (Menge)
  4. Sortiere negative Kritik nach Wichtigkeit bis zu einer individuellen Schwelle
  5. Sortiere den Rest chronologisch als Liste von Kleinigkeiten
  6. Beginne dein finales Feedback mit einer positiven Kritik, die dich emotional berührt hat.
  7. Füge schrittweise negative Kritik hinzu. Gib der Person genug Zeit es zu verstehen / aufzuschreiben.
  8. Wiederhole 7, aber sobald du merkst, dass es zu viel wird, stoppe oder wirf einen positiven Kritikpunkt ein.
  9. Ende auf jeden Fall mit etwas Positivem