Der Computer hat gesagt, ich soll das tun – Mein neues Leben mit den Robot-Overlords

In diesem Post teile ich meine Erfahrung mit einer strikt durchgeplanten Morgenroutine mittels App, weil ich sonst gar nicht organisiert genug wäre :D Aufhänger sind diese ganzen Erfolgsratgeber, die sagen (verkürzt): Wer morgens sein Bett macht ist erfolgreicher. Mit diesem Märchen möchte ich aufräumen, weil es eben nicht für alle Menschen gilt.

"Erfolgreiche Menschen haben sehr strikte Routinen." Ich habe diesen Satz schon so oft gelesen, aber noch nirgendwo eine Erklärung gefunden, warum das denn so stimmen könnte. Die schlimmste Erklärung, die ich mal irgendwo gelesen - und für Zuchtrindexkrement befunden - habe, war dass ein Mensch, der die Willenskraft besitzt morgens direkt sein Bett zu machen auch die Willenskraft besitzt in anderen Bereichen erfolgreich zu sein. Und wenn ich da mal 5 Minuten drüber nachdenke, stellt sich heraus, das ist Victim-Blaming par excellence, weil ein jeder der nicht die nötige Willenskraft aufbringt, selbst Schuld zu sein scheint. Was für ein Käse...

Ich habe mich gefragt, was eine Routine für einen Einfluss auf meinen Alltag haben könnte und warum sich in den vergangenen 15 Jahren alles in mir immer gegen Routinen gewehrt hat. Ich bin neulich beim Lesen eines Buches glaube ich zufällig auf die Antwort gestoßen, aber zunächst mein Erfahrungsbericht, die Auflösung, warum ich glaube, dass Routinen tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben und warum das bei mir nicht funktioniert hat, gibt es dann am Ende.

Die Ereignisse dieses Blogposts ziehen sich über 9 Monate, deshalb wird es hier viele Überschriften geben, zwischen denen jeweils kleine und größere Zeitsprünge liegen können. Zielgruppe sind Menschen, die sich beim Lesen wiedererkennen, es gibt also nur einen Weg für dich herauszufinden, ob du zur Zielgruppe gehörst ;)

Meine bisherige Morgenroutine

Irgendwann krabbele ich aus meinem Bett, dieses irgendwann ist zwischen 6 und 9 Uhr morgens. Ich habe keine wirkliche Reihenfolge der Dinge, die ich tun möchte sondern nur eine vage Liste im Kopf: Toilette, Kaffee, Duschen, Zähneputzen, Essen, Anziehen, Wiegen.

Die Realität trifft dann häufig wie folgt ein:

  1. Ich greife zufällig einen Punkt aus der Liste und beginne
  2. Sobald Punkt 1 fertig ist, ist die Liste schon nicht mehr präsent und ich mache als nächstes was immer die naheliegendste Assoziation ist.
  3. Ich wiederhole 2 bis die Kette abbricht oder zum Schreibtisch führt.

Das Problem: Ich habe seltenst eine Assoziation zu Zähneputzen, Wiegen, Essen, sodass ich diese "To-Dos" häufig schlichtweg vergesse. Und das nervt mich, deshalb habe ich mit anderen gesprochen

Das Leben der Anderen

In meiner nicht-repräsentativen Umfrage in meinem Umfeld hat sich dann ein spannendes Bild ergeben. Es gibt Menschen wie mich, bei denen einzelne Punkte der Morgenroutine unter den Tisch fallen. Dann gibt es Menschen, die morgens sehr bewusst die einzelnen Punkte durchgehen und dadurch alles erledigen. Und dann gibt es Menschen, die morgens nach eigener Aussage im "Autopilot" sind und gar nicht darüber nachdenken, was sie da alles erledigen, bevor die Arbeit losgeht.

Das war für mich ein Augenöffner-Moment, weil ich überhaupt nicht davon ausgegangen war, dass es auch Menschen geben könnte, die sich nicht für jede kleine Tätigkeit morgens aktiv und bewusst entscheiden müssen. Ist das also diese Routine?

Meine eigene Routine

Ich ein halbes Jahr lang jeden Morgen versucht die exakt gleichen Dinge in der exakt gleichen Reihenfolge zu erledigen, um eine Routine oder einen persönlichen "Autopiloten" zu entwickeln. In Kürze: Auch nach einem halben Jahr musste ich mich immer noch für jedes kleinste Detail aktiv und bewusst entscheiden. Es hat sich entgegen aller Ratgeber und Erfolgsgurus im Internet keine Routine eingestellt.

Deep Work

Aus einem lustigen Zufall heraus und völlig unabhängig von diesem Thema hier, hat mir eine Freundin das Buch Deep Work von Cal Newport ans Herz gelegt, das ich bei Audible gekauft und gehört habe. In diesem Buch geht es eigentlich um Fokuszeiten und tiefgreifende Denkarbeit und oberflächliche, geschäftig-aussehende Arbeit, die der Autor als Deep Work und Shallow Work gegenüberstellt. Deep Work ist also fokussiertes, konzentriertes Arbeiten, das keine Ablenkung und Unterbrechung duldet, während Shallow Work aus Tätigkeiten besteht, die gemeinhin branchenübergreifend mit wenigen Ausnahmen als Ablenkung gelten, z.B. E-Mails schreiben, Telefonieren, Meetings die eine Rundmail hätten sein sollen, usw. Ein Abschnitt aus dem Buch ist mir besonders in Erinnerung geblieben, in dem es um das persönliche Entscheidungsbudget eines Menschen geht. Ich erinnere es nicht mehr Wort für Wort, aber meine Botschaft, die ich mitgenommen habe ist: Jeder Mensch hat ein individuelles Budget für Entscheidungen und - im Kontext des Buches - muss dieses sich zwischen Deep Work und Shallow Work einteilen, was zur Folge haben kann, dass z.B. E-Mails lesen (was der Autor als Shallow Work klassifiziert)  das Entscheidungsbudget aufbrauchen kann, welches dann für Deep Work nicht mehr zur Verfügung steht.

Meine Morgenroutine im Licht meines Entscheidungsbudgets

Es ist vermutlich nochmal 2 Monate nachdem ich das Buch gelesen (bzw. gehört) habe, als sich in meinem Kopf so langsam die Puzzlestücke zusammengefügt haben, dass ich einen gehörigen Teil meines Entscheidungsbudgets dadurch aufbrauche, dass ich morgens aufstehe ... Den Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen. Nein, dadurch, dass ich morgens für jede Kleinigkeit die "was mache ich als nächste"-Entscheidung treffen muss. An guten Tagen bricht das mein Entscheidungsbudget an, an schlechten wird es dadurch vollkommen aufgebraucht.

Was tun? Die Entscheidungen eliminieren!

Ich habe mich also umgeschaut, ob es irgendwelche Apps gibt, die es mir erlauben meine Routine in einer Form aufzuschreiben, dass ich nicht mehr darüber nachdenken muss und vor allen Dingen nicht mehr entscheiden muss.

Nach zwei drei Versuchen hat sich für mich die App Routinery (iOS, Android) als die passendste Lösung herausgestellt. Ich gebe Dinge an, die ich machen möchte und wie viel Zeit die ungefähr brauchen. Die Zeit kann ich überziehen oder aber auch Tätigkeiten frühzeitig abbrechen. Während die Morgenroutine läuft treffe ich keine Entscheidungen, sondern mache was mein Mini-Robot-Overlord für den Morgen mir sagt. Ich fand die Vorstellung zunächst etwas befremdlich, habe aber nach 3 Tagen bereits den Mehrwert für mich gesehen und nutze die App täglich. Ohne Abogebühr lässt es mich, soweit ich das verstnaden habe nur 2 Routinen anlegen und nicht alle Emojis nutzen. Ich gehe jetzt jeden Morgen durch ca 80 Minuten vordefinierten Ablauf, wobei ich mir vorbehalte je nach Stimmung auch einzelne Punkte zu skippen oder zu verkürzen (für Frühstück sind zum Beispiel 35 Minuten reserviert, wenn ich alleine frühstücke reichen aber 15-20 definitiv aus)

Meine erste Routine

Ich wusste nicht, wie ich meine erste Routine gestalten soll und habe verschiedene Tätigkeiten aus den Vorlage-Routinen zusammenkopiert (2 Teile Benjamin Franklin, 2 Teile Oprah Winfrey, usw.). So gestaltete sich meine erste Routine wie folgt (freie Übersetzung aus dem Englischen):

  • Wasser trinken (1m)
  • Duschen (15m)
  • Frühstück (15m)
  • Was möchte ich heute erreichen Liste (10m)
  • Arbeit (4h)
  • Wasser trinken (1m)
  • Wiegen (1m)
  • Um mich herum etwas aufräumen (10m)
  • Überlegen worüber ich dankbar bin (2m)

Das hat nicht so gut funktioniert, weil auch der große 4 Stunden Block zu undefiniert war. Den geneigten Lesenden wird auch aufgefallen sein, das Zähneputzen nicht draufsteht, weil ich dachte es wäre Teil von Duschen. Glücklicherweise habe ich bei Punkt 4 aufgeschrieben, dass ich die Routine evaluieren und verbessern möchte.

Die aktuelle Routine

Nach 3 Iterationen, habe ich meine Routine so zusammengestrichen, dass es wirklich nur noch eine morgendliche "vor der Arbeit" Routine ist. Sie sieht jetzt wie folgt aus und funktioniert hervorragend:

  • Wasser trinken (1m)
  • Duschen (15m)
  • Wiegen (1m)
  • Zähneputzen (4m)
  • Frühstück (35m)
  • Was möchte ich erreichen Liste (10m)
  • Dankbarkeit (2m)
  • Wasser trinken (1m)

~70 Minuten gesamt und ich starte damit zwischen 6 und 8:30 Uhr sodass ich vor 10 Uhr arbeitsbereit bin. (Ich bin mir über den Luxus dieser flexiblen Gestaltung als Selbständiger sehr bewusst, glaube aber nicht, dass der Einfluss auf den Effekt super groß ist)

Der Effekt

Als allererstes nervt es mich nicht mehr, dass mir mitten am Tag einfällt, dass ich morgens vergessen habe z.B. Zähne zu putzen. Ich muss mich dann also nicht mitten im Arbeitsfluss damit auseinandersetzen, wie doof das von Past-Me war.

Dann habe ich gemerkt, dass meine Kapazität Entscheidungen in Projekten zu treffen tatsächlich höher ist als vorher und ich insgesamt reibungsfreier durch den Arbeitstag komme.

Die nicht-wissenschaftliche Schlussfolgerung

Der ganze Post ist natürlich nur eine anekdotische Aufarbeitung meiner persönlichen Erfahrung und Umfrage in meinem Umfeld. Dennoch hat sich für mich herausgestellt, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob ich mein Bett morgens mache, um erfolgreich zu sein. Alle Quellen im Internet, die das sagen, haben die Essenz entweder zu weit heruntergekürzt oder nie verstanden. Während ich der in der Literatur weitverbreiteten Meinung, dass Routinen der Schlüssel zum Erfolg sind, sehr skeptisch gegenüber stand, würde ich jetzt bestätigen, dass das stimmt und mit einem riesigen ABER versehen. Wenn du ein Mensch bist, bei dem sich für die Routine eben kein Autopilot bildet, sondern die Routine darin besteht, dass du einem Ideal hinterhereiferst, das schon früh am Morgen dein Entscheidungsbudget für den Tag aufbraucht, dann ist eine solche Morgenroutine erstmal eher erfolgshemmend als erfolgsfördernd. Ich bin der Meinung, dass manche Menschen in der Lage sind, das was die App für mich tut, nämlich eine Routine entscheidungsfrei zu gestalten, auch einfach so ohne App als Gewohnheit etablieren können, für alle anderen ist der Versuch schädlich.

Oder um es nochmal krasser zu formulieren: Es kommt nicht darauf an, ob du jeden Tag dein Bett machst. Das interessiert deinen Erfolg einen Sch*ß. Viel wichtiger ist, dass du nicht kostbare Entscheidungen auf unwichtige Dinge verschwendest.

Wenn du also zu den Menschen gehörst, die sich immer wieder im Leben gefragt haben, warum das bei anderen Menschen klappt, aber bei dir selber nicht, gehörst du vielleicht zu denen, bei denen sich auch nach langer Wiederholung kein Zustand der Entscheidungslosigkeit einstellt. In dem Fall lade ich dich ein, die App Routinery einmal auszuprobieren und mir von deiner Erfahrung zu berichten, ich würde mich wirklich freuen, wenn ich in 3-6 Monaten einen zweiten Blogpost mit Rückmeldungen aus der Community schreiben kann. Meine Empfehlung für die Gratisversion der App ist, eine Morgen- und eine Abendroutine anzulegen.

Ich für meinen Teil begrüße den GoodMorning-Robot-Overlord in meinem Leben, weil er mir im Gegenzug ein Stück Lebensqualität gibt.

Danke

dass du bis hierhin gelesen hast, was mein vermutlich bisher persönlichster Blogpost ist. Ich versuche in meinem Blog Dinge, die kompliziert sind, zugänglicher zu gestalten und da passt dieses Thema spannenderweise auch herein. Wenn du mich und meine Arbeit hier unterstützen möchtest, kannst du das dadurch tun, dass du diesen Beitrag mit deinem Freundeskreis teilst, mich direkt finanziell unterstützt (siehe ko-fi und patreon Links oben) oder indirekt finanziell unterstützt durch Käufe über Affiliate-Links. Du könntest zum Beispiel das oben genannte Buch Deep Work von Cal Newport auf Amazon kaufen, oder im Audible-Probeabo kostenlos anhören. Dafür bekomme ich eine großzügige Provision, selbst wenn du direkt nach der Registrierung (und der Buchauswahl) im Benutzerkonto auf Kündigen klickst, um kein Risiko einzugehen, dass das Abo kostenpflichtig weiterläuft.

Für Rückmeldungen, Fragen, Wünsche, schreib mir gerne unter info@ oder auf Twitter. Bis dahin frohes Entlasten mit Routinery :D