Wie erkenne ich gute Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch?

Definition "gut"

Für diesen Blogpost, gehe ich davon aus, dass gute Arbeitgeber nicht objektiv gut sind, sondern verstehe "gut" als "zu dir passend". Nehmen wir als Beispiel an, die Nasa aus dem Eingangsbild würde nur Astronaut*innen einstellen. So ein Außeneinsatz an der ISS^ ist vielleicht der perfekte Arbeitsplatz für dich, man muss auch nicht mit Menschen arbeiten und alle sagen dir, das ist er, DER Arbeitsplatz. Du hast aber Höhenangst. Statistisch mag es ein guter Arbeitgeber sein, aber in diesem Fall wird er nicht zu dir passen.

^ Im Bild ist tatsächlich ein Satellit zu sehen und nicht die ISS, du bist aber auch aufmerksam :)

Ausschlusskriterien

Wenn du mich kennst, weißt du, dass ich in meinen Karriere-Tipps sehr gerne positive Strategien vermittele. In Bezug auf Arbeitgeberverhalten im Bewerbungsgespräch kann es sich jedoch lohnen als Ausschlusskriterium auf sogenannte Red Flags (Warnsignale) zu hören. Es gibt Fragen, die sind in Deutschland schlichtweg verboten und es gibt Fragen, die dich aufhorchen lassen sollten, ob diese Firma im Alltag zu dir passt.

Unzulässige Fragen:

Fragen zu Familie und Sexualität

  • Sind Sie schwanger? (Ausnahme Arbeitsplätze mit potentiell fruchtschädigender Tätigkeit, z.B. Sicherheitslabore, Kernkraftwerke,...)
  • Haben Sie Kinder? Wie sieht es mit der Kinderplanung aus?
  • Was macht/en Ihr/e Partner beruflich?
  • Gibt es pflegebedürftige Personen in Ihrer Familie? Wer pflegt?

Fragen zu Gesundheit

  • Gab es längere Krankheitsphasen? Fühlen Sie sich gesundheitlich fit für den Job?
  • Wie viel Ausfallzeit haben wir durch Ihre Behinderung zu erwarten? (Bei Bekanntheit einer Behinderung, z.B. durch Bewerbungsschreiben)

Fragen zu Privatem

  • Was halten Sie von Partei X? Was sagen Sie zu Äußerung X von Politike*in Y?
  • Haben Sie Schulden?
  • Gehören Sie einer Gewerkschaft an?

Fragen die erlaubt sind, aber ein Warnsignal darstellen

Fachlich

  • Was wird Sie in dieser Firma unentbehrlich machen?

Das heißt die Firma hat unentbehrliche Mitarbeiter*innen.
Zumindest vom Gegenüber suggeriert es, die einzige Motivation zum Arbeiten zu sein.

  • In unserer schnelllebigen Zeit kann es immer wieder sein, dass Mitarbeiter flexibel auf die Anforderungen des Marktes reagieren und gegebenenfalls ihr Aufgabengebiet verändern. Halten Sie dieses Maß an Innovation für sich denkbar?

Wenn schon darauf hingewiesen wird, kann es nicht nur passieren, es ist schon passiert und wird wieder passieren. Das muss kein Warnsignal sein, wenn dir im Alltag egal ist, welche Tätigkeit du ausübst.

  • Person XY ist ja jetzt weg und hat uns einen Scherbenhaufen hinterlassen, wir brauchen jemanden, der determiniert ist, das Projekt wieder vorwärts zu bringen.

Der Zustand des Projekts ist schlecht
Es gibt keinerlei Anerkennung oder Respekt gegenüber vorherigen Mitarbeiter*innen
Es wird möglicherweise ein Sündenbock gesucht

  • Wir könnten frischen Wind gebrauchen?

Wir machen alles so als wäre es 1980 und hinken hinterher.
Wir sind festgefahren in unseren Ansichten/Prozessen.

Persönlich

  • Wie gedenken Sie sich denn (als Frau/als Mann) gegenüber der Horde (Männer/Frauen) durchzusetzen?

Es gibt eine Disbalance der Geschlechter, die in der Vergangenheit zu Problemen geführt hat.

  • Mitarbeiter bleiben in der Regel nicht lange. Wir sind ein Sprungbrett für junge Karrieren.

Es gibt Gründe warum Menschen gehen, es sind die Gründe, warum du hier nicht anfangen solltest.

  • Sind Sie bereit alles zu geben, um hier Karriere zu machen? Sie werden bei uns Karriere machen.

Statistisch bedeutet das: Viele Überstunden, keine Anerkennung

  • Eine Person wie Sie würde (z.B. optisch) gut in unser Team passen.

Alle "Komplimente" die nicht fachlicher dafür aber oberflächlicher Natur sind, sind unangebracht und deuten auf ein schlechtes Betriebsklima hin.

  • Eine Person wie Sie würde das Team prima ergänzen

Könnte auf den vorangegangenen Punkt hindeuten, am besten nachfragen: Welche meiner Eigenschaften lässt Sie besonders zu dem Schluss kommen? Wenn hier fachlich geantwortet wird, ist es in Ordnung.

Bauchgefühl

Die meisten Warnsignale gelten nicht für alle Menschen gleichermaßen. Deshalb höre auf dein Bauchgefühl und wenn dir etwas sagt: "Hier stimmt etwas nicht", dann suche lieber weiter.

Fragen, die du stellen kannst um den Arbeitgeber kennenzulernen?

Hierbei ist es wichtig möglichst keine Fragen zu stellen, die mit Ja/Nein zu beantworten sind. Ein schlechtes Beispiel wäre: "Arbeiten Sie gerne hier?" Wenn du herausfinden möchtest, wie es ist in der Firma zu arbeiten, helfen dir die folgenden Frageserien.

Wie ist das Arbeitsklima?

  1. Wie lange arbeiten Sie schon hier bei Firma XYZ? (Antwort abwarten und zuhören)
  2. a) Das ist ja noch ganz frisch :) Was hat Sie am meisten überzeugt hier anzufangen?
    b) Das ist ja schon eine ganze Weile. Was motiviert Sie am meisten weiterhin jeden Tag mit Freude hierher zu kommen?
  3. Wie haben Sie Ihre persönlichen Ziele hier erreichen können, wer hat Sie dabei unterstützt?
  4. (Falls nicht ohnehin involviert) Können Sie mir Mitarbeiter*innen aus der Fachabteilung empfehlen, mit denen ich nach diesem Gespräch sprechen kann?

Diese Fragen helfen dir herauszufinden, wie die interne Wahrnehmung der Arbeitnehmer*innen ist. Die Frage "passt das auch zu mir?" solltest du nach Bauchgefühl beantworten. Wenn du deinem Bauchgefühl nicht traust, beantworte die Fragen vorher auf Papier für eine Wunschposition und schaue wie ähnlich sich die Antworten von dir und der Firma, bei der du dich bewirbst sind.

Was für Entwicklungsmöglichkeiten habe ich/hat die Firma?

  1. Ich fange hier als XY an, was für Möglichkeiten habe ich mich in dem Bereich weiterzuentwickeln?
  2. Welche Möglichkeiten werden mir gegeben neue Talente in mir zu entdecken?
  3. Können Sie mir in einem Satz erklären, was die Zielsetzung/Vision der Firma ist?
  4. Wie viele Mitarbeiter*innen gibt es aktuell, wie viele in einem/fünf Jahren?
  5. Welche Herausforderungen stehen für die Firma bevor, was wird meine Rolle bei der Bewältigung sein?

Gehalt

Dieser Blogpost ist so schon relativ lang, deshalb werde ich demnächst nochmal gesondert zum Thema Gehalt schreiben.
Ein Tipp fürs Vorstellungsgespräch ist, die Frage nach dem Gehalt, wenn sie relativ früh kommt, höflich beiseite zu schieben. Denn wenn die Firma sich schon entschieden hat, dich haben zu wollen, finden sich in der Regel Mittel und Wege. Ein Beispielsatz:

Ich verstehe, dass meine Arbeitskraft am Ende zu einem Budget passen muss, bei dem/r Wachstum/Bekanntheit/Ruf dieser Firma, mache ich mir keine Sorgen, dass wir uns einig werden. Lassen Sie uns zuerst noch herausfinden, wie meine Fähigkeiten zu Ihren Herausforderungen passen und wie wir gemeinsam einen Mehrwert schaffen können.

Kurzzusammenfassung

  1. Achte auf Fragen die dir komisch vorkommen oder nicht erlaubt sind.
  2. Frage selber nach, wie die Menschen, die schon dort arbeiten, ihren Alltag wahrnehmen. Vermeide Fragen, die mit ja/nein zu beantworten sind. Passen die Antworten zu deinem Charakter?
  3. Finde heraus wo die Firma hin möchte und wie klar die Vision ist. Passt das zu deiner Vorstellung deines zukünftigen Arbeitsplatzes?
  4. Verschiebe die Gehaltsverhandlung nach hinten, solange es möglich ist.

Der zugehörige Twitter-Thread findet sich hier: https://twitter.com/PlantProgrammer/status/1166995565080694785

Tipps aus der Community

Schau dir den Zustand der Toiletten an. Verwahrlost weist auf Resignation bei Mitarbeiter*innen oder schlechtes Betriebsklima hin. Sehr schlecht ausgestattet oder kaputt weist auf Nachlässigkeit der Unternehmensführung oder Sparwahn hin. Vielen Dank Tim Weber für diese Ergänzung (-> Originaltweet)