Ich lasse backpacken
Dieser Text ist für Caro. Wir haben uns zufällig am Flughafen getroffen. Ich war geschäftlich unterwegs und sie auf ihrem Weg zu einem Backpacking Abenteuer in Thailand.
Dieser Text ist für Caro. Wir haben uns zufällig am Flughafen getroffen. Ich war geschäftlich unterwegs und sie auf ihrem Weg zu einem Backpacking Abenteuer in Thailand.
Als sie von ihren Abenteuern - zumindest den geplanten - erzählt, überlege ich wie ich sie am effizientesten kurzerhand zwischen Terminal und Boardingtreppe verschwinden lassen kann um ihren Platz einzunehmen. Allein, dass sie einen Fensterplatz hat, ist doch schon Grund genug.
18 Stunden später lande ich in Krabi, Thailand. Noch auf dem Weg zum Gepäckband fällt mir ein entscheidender Planungsfehler MEINES Abenteuers auf. Ich weiß nicht, wie MEIN Gepäck aussieht. Ich warte also 45 Minuten bis nur noch ein Rucksack einsam auf dem Gepäckband seine Runden zieht und entscheide, dass es dann wohl dieses ist, das jetzt mir gehört...immer mir gehörte.
Irgendwo in Norwegen kreist alleine mein, ... ähm Caros Koffer mit Schuhen von John Lobb, Anzügen von Armani, und als Plöppfolie des Geschäftsmannes Füllmaterial aus 500€ Scheinen... Das ist ein Poetry Slam, man wird ja wohl noch träumen dürfen.
Es ist ein Rucksack ... Warum in aller Welt ein Rucksack? Hätte es kein Hartschalenkoffer sein können? Was haben diese Backpacker immer mit Rucksäcken? .... Sei's drum.
Ich greife also den Rucksack, und suche den Ausgang. Inzwischen ist ein weiteres Flugzeug gelandet, viele Menschen in Anzügen stehen am Kofferband und warten auf ihr Gepäck. Erneut kommt mir eine Idee. Ich trete durch die Tür zum Ausgang und sehe mehrere Menschen mit Namensschildern in der Hand. Ich gehe schnurstracks auf die Person mit den weißen Handschuhen und der Uniform zu, drücke ihr den Rucksack in die Hand und murmele, dass ich hoffe er habe nicht zu lange warten müssen, aber jetzt sei ich ja da. Er wirkt verwirrt. Ich setze nach: "Gates?!", es stand schließlich auf seinem Schild, "Können wir dann? Meine Zeit ist endlich und mein Zeitplan begrenzt. Und seien Sie vorsichtig mit dem ... ähm ... Soft-Shell Koffer. Und wie ist Ihr Name?" - "Sorry, I don't understand." - "Yeah right, .... that was my Texan accent. I wanted to inform you, that we need to hurry a bit, I already spent half a minute of my schedule talking to you. What is your name?" - "Sorry, sorry, we will rush. I am Thanh."
Auf dem Flughafen Vorplatz erwartet mich eine Limousine. Langsam wird mir mulmig und ich fürchte, dass die Lüge auffliegen könnte. Thanh öffnet mir die Tür des Autos. Ich steige ein und es erwartet mich eine Frau. Ich drehe mich um und sage: "Thanh, I did not order a hooker to my car, I said to the hotel room." - "Sorry, Sir, no hooker, this is you wife." "Oh", sage ich kurz.
"Honey!!! Don't you recogneiß me. MELINA. Your WAIFF!", presst sie mit deutschem Akzent durch ihre Zähne. "Of course, honey, it was just a joke. THANH! Let's go"
Wir fahren los und ich lehne mich zu Melina "Bist du wahnsinnig, die Frau von Bill Gates heißt Melinda, was machst du überhaupt hier?" - "Ich bin da irgendwie reingerutscht. Mein Vater hat mich zum Backpacking hierhin geschickt. Ich sollte selber zusehen, wie ich klarkomme. Als ich dann hier angekommen bin, wollte ich mich aber nicht mit dem Pöbel abgeben, also habe ich unserem Fahrer erzählt, mein Name sei Melina Gates und dass er wohl hier sei, mich abzuholen. Aber der Fahrer wollte nicht losfahren und sagte, wir warteten noch auf irgendwas. Und wer bist du?" - "Ähm ... ich ... glaubst du mir wenn ich sage, dass unsere Geschichten sehr ähnlich sind?"
"THANH!", ich teile ihm die Planänderung mit, wir fahren nicht ins Hotel, wir werden untertauchen. Schon sind wir Bonny und Clyde ... zugegeben mit Chauffeur, aber ihr seht die Parallelen. Wir fahren immer tiefer ins Landesinnere und entfernen uns gefühlt immer mehr von der Zivilisation. "Here!" rufe ich und Thanh steigt in die Bremsen. Wir steigen aus. Ich erkläre Thanh, dass er den Rucksack und Melinas Koffer nehmen und uns folgen soll. Thanh nickt.
Zwei Wochen später. Unser Gastvater, ein Bauer, reicht uns unseren Arbeitslohn. Weil wir ungefähr gleich viel Verantwortung getragen haben, teilen Melina und ich mir das Geld hälftig. Als Thanh aus dem Stall kommt und sich die letzten Reste Dung vom Schuh streicht, stellen wir ihm etwas zu Essen auf den Tisch, dass er sich schwer verdient, nachdem er uns noch schnell die Schuhe putzt. Überall dieser Staub. Es hätte mir ja wirklich mal jemand sagen können, dass Backpacking so anstrengend ist.
2. Monat: Melina meinte, dass es vielleicht unfair wäre, wenn Thanh den Boden der Bar immer alleine wischen muss. Seitdem setzt sie sich auf seinen Rücken, wie auf ein Pferd und leistet im Gesellschaft.
3. Monat: Wir sind zwischenzeitlich im Norden des Landes angekommen. Wir haben Land und Leute kennengelernt. Wo wir waren, brachten wir den Kapitalismus. Bauernhöfe, Tankstellen, und Wasserstellen wurden zu Dörfern. Ist es nicht erstaunlich wie zwei Personen im Alleingang und unter schwersten Bedingungen ein ganzes Land reformieren können?
4. Monat: Melina und ich beschließen das anstrengende Backpacker-Leben hinter uns zu lassen. Schließlich kann man mit ehrlicher Arbeit nicht reich werden. Wir lassen uns von Thanh zusammen mit dem Gepäck zum nächsten Flughafen tragen. Am Flughafen angekommen, werden wir mit einem roten Teppich und einem Privatjet empfangen. Banner wehen über dem Flughafen und feiern den "M. und B. Gates"-Feiertag. "Sollen wir es ihnen sagen?", fragt mich Melina. "Nicht bevor wir nicht in einem Land sind, das nicht ausliefert. Wo soll mein Privatjet dich rauslassen?"
"DEIN Privatjet? Wir sind jetzt scheinbar verheiratet, die Hälfte gehört mir!" - "Uff", stelle ich fest, "ich gehe nie wieder backpacken."