Feedback - die düstere Wahrheit

Feedback - die düstere Wahrheit

Feedback geben und nehmen ist eine trainierbare Kunst. Es gibt leider einen negativen Seiteneffekt, wenn du es lernst. Welcher das ist, beleuchte ich in diesem Post

Nach meinen vorherigen Blogposts zum Thema Feedback geben und Feedback nehmen, hat Dominik mich kontaktiert mit der Frage: "Wann darfst du es dir nicht leisten Feedback zurückzuhalten?"

Im Feedback-Geben-Post habe ich geschrieben, dass es wichtig ist, vor dem Geben von Feedback Konsens einzuholen. Das hat leider auch eine dunkle Seite und die habe ich gemeinsam mit Dominik erarbeitet. Die Grundregeln aus den Blogposts gelten natürlich und es ist total sinnvoll, wenn du den Konsens der Person erfragst, bevor du Feedback gibst. Leider bietet diese Regel auch den Spielraum "Feedback" wegzulassen, weil kein Konsens besteht, wo es unerlässlich ist, das Feedback ungefragt zu geben.

Situation 1 - Rassismus und andere Diskriminierung

Eine Situation in der eine Person systematisch diskriminiert wird erlaubt es nicht, eine Intervention auszulassen. Technisch gesehen ist ein "Hör auf damit!" Feedback und Konsens dafür wirst du von der diskriminierenden Person voraussichtlich nicht bekommen. Gerade in Gruppen entsteht dann oft eine Dynamik in der alle wissen, dass das, was gerade passiert, nicht in Ordnung ist, aber keiner etwas sagt. Wenn du eine Situation mitbekommst, in der eine Person schlecht behandelt wird, besonders auch wenn in vermeintlich spielerischer Art diskriminiert wird, sprich! Sag, dass es nicht in Ordnung ist. Wenn nicht zu erwarten ist, dass die diskriminierende Person sich der Diskriminierung bewusst ist, muss es auch nicht aggressiv sein. Hier eine Formulierung, die du jeder zeit verwenden darfst und auch sollst: "Schau, Vorname*, das was du gerade gesagt hast, finde ich nicht in Ordnung. Auf mich macht das einen diskriminierenden Eindruck und ich habe das Gefühl**, das ist nicht der Eindruck, den du vermitteln möchtest."

Ohne Angriff und tiefe Verurteilung führt dieser Spiegel in mehr als 50% der Fälle dazu, dass sich die diskriminierende Person gesichtswahrend entschuldigen kann und senkt die Wahrscheinlichkeit für Wiederholung.

* Die persönliche Ansprache ist an der Stelle sehr mächtig
** "... und so wie ich dich kenne, ist das nicht der Eindruck ..."

Situation 2 - Begehen durch Unterlassen

Ja, die Überschrift hat einen juristischen Unterton, ich finde die Formulierung allerdings sehr treffend, da oft gar nicht die Tat sondern die Untat das Problem darstellt und auch hier gibt es Gründe ungefragt Feedback zu geben. Es ist gesunder Menschenverstand und gerade deshalb darf es nicht ungesagt bleiben. Wenn du etwas mitbekommst, was in der Lage ist, jemanden zu gefährden und du sagst nichts, weil du nicht ungefragt Feedback geben möchtest, bist du für die Folgen mitverantwortlich. Das kann von nicht Bescheid sagen, dass es dort wo du gerade herkommst rutschig ist, bis hin zu Großbränden mit Toten führen, weil du obwohl du die entstehende Glut bemerkt hast, die Umstehenden nicht durch Feedback gewarnt hast.

Du merkst wahrscheinlich schon, dass das sehr weit weg ist von der Art Feedback ist, die du nach Vorträgen oder Präsentationen erwartest. Dennoch ist es formell ungefragtes Feedbackgeben, weswegen ich in aller Deutlichkeit nochmal darauf hinweisen möchte. Es gibt Situationen in denen Feedback gegeben werden MUSS ungeachtet eines bestehenden Konsens. Die Grenze ist sicherlich etwas unscharf. Zur besseren Einordnung hilft dir vielleicht die Faustregel: Bezieht sich das Feedback auf persönliche materielle oder immaterielle Eigenschaften deines Gegenübers, frag vorher nach Konsens. Bezieht sich das Feedback auf die Abwendung zukünftiger oder bestehender Gefahren oder gesellschaftlich geächteter Verhalten, gib dein Feedback ungefragt.

Die Grenze verwischt noch mehr, wenn du die mögliche Intention des Gegenübers einbeziehst. Die Vermutung, dass dein Gegenüber gar nicht böswillig handelt, befreit dich nicht von der Pflicht Feedback zu geben, du kannst aber beispielweise entscheiden, das unter vier Augen zu tun, solange alle akuten Gefahren abgewendet sind.

Situation 3 - Du hast gute Intentionen mit deinem Feedback

So schwer es ist, frag trotzdem nach Konsens. Stell dir vor eine dir bekannte Person bekommt ein Arbeitszeugnis mit diesen unsäglichen Bewertungscodes, die, auch wenn sie gut klingen, oftmals vernichtende Kritik darstellen. Die Person kennt das Konzept dieser Codes nicht. Alles in dir drängt, die Person zu warnen, damit sie die Wahrheit erfährt und sich wehren kann. Besteht eine akute Gefahr für Leib und Leben? Nein. Wird diese Person diskriminiert? Nein, hängt aber vielleicht auch vom Kontext ab. Es gibt also keinen Grund nicht vorher um Erlaubnis zu fragen UND ein nein, so schwer es auch sein mag, dann zu akzeptieren.

Situationen über Situationen

Es gibt unfassbar viele Situationen im Alltag, in denen gelogen wird. Völlig unabhängig von der Intention der Lüge, ist es natürlich unfair, wenn jemand angelogen wird und es nicht mitbekommt und du als außenstehende Person zuschaust. Auch hier hängt das von vielen Faktoren ab, wenn du aber irgendeine Möglichkeit siehst, nach Erlaubnis für Feedback zu fragen, frag lieber.

In aller Kürze

Wenn es um Diskriminierung und Gefahrenabwehr geht, warte nicht auf Erlaubnis, sondern nimm dir das Recht (und damit deine Pflicht ernst) ungefragt "Feedback" zu geben.
Bei allen anderen Situationen, ist es mitunter schwierig zu entscheiden. Wenn du für dich weißt, dass du alles getan hast, um möglichst vorher Konsens herzustellen und trotzdem ungefragt Feedback gibst, stehe dazu und sei bereit dich zu entschuldigen*.

* Randbemerkung: Eine Entschuldigung hat die Form "Ich bitte um Entschuldigung" oder "Das tut mir leid". Eine Reaktion der Form "Das ist, weil ..." ist in aller Regel eine Relativierung, die du besser vermeidest.

Von meiner Seite vielen Dank und Kudos für deine investierte Zeit, Dominik.